FUZO: Kommentar von Michael Neudorfer

Michael Neudorfer, Buchhändler in der Innenstadt, reagierte in seinem Juli-Newsletter auf den mehrheitlichen Gemeinderatsbeschluss (Gegenstimmen GRÜNE und SPÖ) für ein Ende der Fußgängerzone:

Michael Neudorfer

Just einen Tag nach „Redaktionsschluss“ des Juli-Newsletters fasste der Vöcklabrucker Gemeinderat einen eigentlich unfassbaren Entschluss: Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, NEOS und MFG vernichtete man die Fußgeherzone auf dem Stadtplatz. Tut mir leid, anders kann ich es nicht bezeichnen. Aber irgendwie war es auch schon absehbar. Die halbherzige Variante „Autos rein am Vormittag, Autos raus am Nachmittag, aber auch nur in der warmen Jahreszeit“ war ja eine typisch österreichische Lösung – „nicht Fisch und nicht Fleisch“ hätte man früher im präveganen Zeitalter gesagt, jetzt müsste es wahrscheinlich „nicht tierisch und nicht pflanzlich“ heißen. Diese Flexitarier-Fuzo also wollte es jedem rechtmachen: Am Vormittag und im Winter den Autofahrern bzw.-parkern, am Nachmittag und im Sommer den Fußgehern. Daraus kann nichts anderes werden, als eine hatscherte Gschicht. Und mit hatschertem Gehwerk ist man halt nicht wettbewerbsfähig.

Das hätten die lieben KollegInnen in der Kaufmannschaft eigentlich ahnen können.
Sie können sich vielleicht daran erinnern, dass wir immer für eine vollumfängliche Ganzjahresfuzo auf dem Stadtplatz eingetreten sind. Aber die muss man begleiten: mit Wohlwollen und mit Ideen. Vor allem aber dürfen Stadt und Kaufmannschaft nicht müde werden, die Vorzüge einer Fuzo für ein familienfreundliches Einkaufserlebnis zu bewerben: ein autofreier, schöner Platz, gemütliches Flanieren, Spielmöglichkeiten für Kinder, gefahrloses Bewegen zwischen Schanigärten und Grünzonen, abgasfreies Schanigarten-Erlebnis, mehr Platz für Menschen und zwischenmenschliche Begegnungen, ein schöneres Stadtbild, weniger Lärm, mehr Raum für Ideen, besserer Klimaschutz, mehr Umsatz für die Geschäfte. Ja, Sie haben richtig gelesen: mehr Umsatz für die Geschäfte! Und glauben Sie mir: es stimmt! Wir sind von Fuzos ja praktisch umzingelt, die kleine vor der Tür und die große auf dem Stadtplatz. Niemand jammert, dass er/sie die zum Teil schweren Büchertaschen ach so weit zum Auto schleppen muss. Die Leute kommen gern, sind entspannt, weil autolos, haben Zeit zum Schmökern. Ach ja, und die Umsätze? Die sind 2024 gestiegen – seit wir von Fuzos quasi umzingelt sind. Nicht auszudenken, wie groß die Umsatz-Zuwächse wären, gäbe es eine konsequente Fuzo-Lösung auf dem Stadtplatz…

Aber was passiert? Ein paar Kaufleute üben Druck auf die ihnen nahestehenden Volksvertreter aus, jammern über schrumpfende Umsätze, klagen über existenzbedrohende Entwicklungen, nennen die Fuzo (oder was das auf dem Stadtplatz immer auch ist) als Ursache. Und die lieben Lokalpolitiker geben dem Druck natürlich sofort nach und beschließen – siehe oben!

Seien Sie mir bitte nicht böse, aber das verstehen wir einfach nicht. Könnten Umsatzeinbußen nicht auch damit zu tun haben, dass man die Kunden etwa mit wechselnden, uneinheitlichen Öffnungszeiten pflanzt? „Bei Badewetter Nachmittag geschlossen“ – was ist das für eine Info! Wo fängt das Badewetter an? Nickt der Kunde dann beifällig vor der geschlossenen Geschäftstür und fährt reumütig an den See? „Ab 17 Uhr geschlossen“ – na super, gerade nach Büroschluss! Nichts wie ab in die Varena, die hat noch viel länger offen. Aber dafür macht man ja auch bei diversen Feuernächten und dergleichen mit. Wir gehen einen anderen Weg: Feuernächte können uns gestohlen bleiben, weil sich eh niemand in die Hinterstadt verirrt solange man dort kein Programm anbietet. Dafür sind wir sommers wie winters jahraus und jahrein verlässlich zu den gewohnten Zeiten für unsere Kunden da – so, wie die Kunden das zu recht von uns erwarten.

Wissen Sie, es ist mir eigentlich schon ziemlich wurscht, dass ich in der Kaufmannschaft das schwarze Schaf bin, das immer gegen den Strom schwimmt – um diesen leicht hinkenden Vergleich zu bemühen (der mir beim zweiten Hinschauen gar nicht so schlecht gefällt). Es war mir immer auch schon wurscht. Ich bin schon gespannt, ob/wie sich der Gemeinderatsbeschluss auf unsere Umsätze auswirken wird.

Eine Bemerkung sei mir abschließend erlaubt: Ich bilde mir nicht ein, dass ich gescheiter bin als meine KollegInnen in der Kaufmannschaft. Und ich bin mit voller Überzeugung Demokrat und kann Mehrheitsbeschlüsse gut akzeptieren. Dennoch muss es mir erlaubt sein, diese Entscheidungen in Frage zu stellen. Und ich darf auch mein Unbehagen darüber äußern, dass in Vöcklabruck offenbar „Politik auf Zuruf“ gemacht wird. Das zeugt nicht unbedingt von Rückgrat und Weitblick. Und es hinterlässt ein ungutes Gefühl.

Doch noch ist die Verordnung nicht in Kraft getreten. Ein Umkehren ist immer möglich, wenn sich die Kräfte der Vernunft vielleicht zusammenfinden…
Nun wenden wir uns Erfreulichem zu: den zehn ultimativen Lesetipps für die restlichen Wochen des Sommers, vorgestellt in aller Kürze. Dazu gibt’s eine Buchempfehlung unserer Mia sowie ein Krimi- und ein Kindersachbuch-Schaufenster. Viel Vergnügen damit! Und genießen Sie den Feiertag!

Auf Wiederlesen sagen für heute
Michael Neudorfer und sein Team

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